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Wintersportgeschichten aus dem Klostertal

Erinnerungen von Manfried Gantner aus Dalaas im Klostertal, zu seinen frühen Ski- und Wintersportversuchen im Klosterstal.

Erinnerungen von Manfried Gantner (03.04.2020)

Gefragt, ob ich zum frühen Wintersport im Klostertal Erinnerungen hätte, sind einige sehr persönliche Erinnerungen an wunderschöne Schitage mit meinem Cousin, Georg Gantner, schnell zur Hand, andere aber müssen erst mühsam wieder hervorgelockt werden.

Meine ersten Schiversuche als noch nicht 5-jähriger machte ich ab dem Winter 1949/50 hinter dem im Dezember 1949 neubezogenen Haus an der Bundesstraße. Dort war ab den späten Fünfziger Jahren  die „Pension Radona“ meiner Mutter, Gisela Gantner geb. Beck, untergebracht. Im Haus und einem Nebengebäude (Magazin) war auch der Sitz der Baufirma meines Vaters, des Maurermeisters Leo Gantner, die er 1938 gegründet hatte. Hinter diesem Haus lagen - vor einer viel später erfolgten Meliorisierung  - einige Bodenunebenheiten, genauer ein (für mich damals) größerer und steilerer Hügel, der vielleicht 3 Meter abfiel, und ein kleiner, eher flacherer Hügel. Genug Gefälle für die ersten Fahrversuche.

Mit dem Schloßbühel und gemeinsam mit meinem Cousin Georg Gantner und einigen anderen „Goga“ (Kindern und Jugendlichen) wurden die Herausforderungen und Mutproben aber rasch größer. Am leichtesten war der Schloßbühel in Richtung des Hauses von Johann Gantner, also gegen Westen. Als Georg und ich schon frecher wurden, war es der Hang in Richtung Süden, zum heutigen Klostertaler Heimatmuseum hin. Er war schon deutlich steiler, hatte aber am Fuß zwei, drei Obstbäume, zwischen denen man auf der jeweiligen Schussfahrt durchzielen musste. Hinten, zur Eisenbahn hin war der Übergang von steilem Hang zur Ebene für einen „Schuss“ viel zu abrupt. Das trauten wir uns meines Wissens nie zu. Und gegen Osten, zur Kirche hin, hatten wir uns etwas anderes einfallen lassen: Vom Bahndurchlass herunter zunächst in Schussfahrt ging es dann einen kleineren Gegenhang zum Schloßbühel hinauf, dort folgte  - je nach Tempo - ein kürzerer oder weiterer Sprung - und dann ging es in einer Linkskurve über das Ursprungbächlein hinunter in die Ebene. Mehrmals fuhren wir auch westlich des Ställiguats und des Avanzini-Stalls  von unterhalb der ÖBB-Trasse herunter. Mit der Schule übten wir vor allem hinter der Kirche: Bis die ganze Klasse oben und wieder unten war, war der Schulnachmittag auch schon wieder vorbei.

In späteren Jahren bauten wir „Auf Schattenhalb“ auf der Wiese westlich des Stalles von Hermann Leu jeweils eine Schanze für längere Sprünge auf und fuhren nach getanem Training westlich des Hauses Fritschy einen Hang, der heute völlig mit Wald zugewachsen ist, zur Alfenz hinunter. - Der Vorgang war immer derselbe: Durch seitliches Treten stiegen wir hinauf und spurten uns dabei eine Art Piste, durchaus auch mit eingebauten Kurven.

Wie war denn die Ausrüstung damals? Wir hatten zu Beginn „no name-Schier“, also markenlose Kinderschi ohne Kanten, wohl aus Esche und mit einer Backenbindung samt Lederriemen zwischen den Backen. Man war mit dem Schnürschuh in der Bindung fixiert und konnte die neben dem Schuh am Schi entlang geführte Bindung hinten mit einer Spange schließen. Einmal habe ich meine Schier frisch mit einem roten Lack präpariert und dann im warmen Badezimmer getrocknet, was trotz des beißenden chemischen Gestankes nach Nagellack von der Familie klaglos akzeptiert wurde. Später natürlich waren Kästle-Schi aus Hohenems (die es dann sogar in den Ausführungen Slalom, Riesenslalom und Abfahrt gab) Gegenstand unserer Begierde und Anschaffung. Sie hatten dann schon Schikanten und metallische Spitzenschoner und waren aus mehreren Holzschichten aufgebaut. Irgendwann kam auch die „Sicherheitsbindung“ auf, ein dreieckiger Metallknopf, aus dem bei größerem Druck der Vorderschuh bei einem heftigeren Schlag oder Sturz (manchmal auch völlig grundlos!), seitlich ausgeworfen wurde. Die Schier wurden dann mit Fangriemen vor dem selbständigen Davonfahren gesichert. Das Universum des Schiangebotes wurde dann mit Kneissl, Kufstein-Tirol (mit dem berühmten „Whitestar“), Fischer (Oberösterreich) und Atomic (Salzburg) immer größer. Von den geklebten Holzschichten, ging die Technologie über Alu zu Verbundstoffen über. Die Kanten waren integriert und nicht mehr auf den Schi geschraubt. Es gab zunächst nur Schier aus Österreich. Sie wurden damals immer länger. (Die längsten Schier, die ich dann als 20ig-jähriger gefahren habe, waren 2, 20 m lange Alu-Schi von Fischer, die ich aber nie richtig beherrschte, weil sie zu steif waren.)

Die Stöcke waren zunächst aus Holz (Bambus?) und hatten größere Teller aus Weidenholz, später wurden sie von Metallstöcken mit kleineren Plastiktellern abgelöst. Funktionskleidung gab es keine, allerdings gestrickte Handschuhe, die erst kalt, dann nass und schließlich steif wurden, wenn man zu häufig in den Schnee greifen musste,  sodann Hosen (die besseren hießen „Keilhosen“) und Pullover sowie Windjacken (Anoraks). All dies lieferte verlässlich das Christkind in jährlich wachsenden Kleidergrößen.

Wald am Arlberg hat(te) auch einen Schiclub. Dieser war aber damals eher eine Innerwaldner und damit „ÖBB-Werk“- Angelegenheit, das heißt mehr in das rote (SPÖ-) Lager tendierend. In dunkler Erinnerung habe ich noch, dass auch mein Vater bei diesem Club Funktionär war, allerdings habe ich ihn nie Schifahren gesehen. Insgesamt war die eher „schwarze“ Bevölkerung aus Außerwald im Schiclub nicht großartig vertreten (Man darf solche Umstände mit viel Humor betrachten: Im Dorf herrschte damals eine Art Don Camillo-Pepone- Situation, allerdings ohne aktive Chefs). Ein Problem war auch, dass wir als Kinder und Jugendliche am Sonntagvormittag die Sonntagsmesse und um 14 Uhr auch noch die Vesper mit Rosenkranz zu besuchen hatten, was jedenfalls bei Letzterer in Zeitkonkurrenz zum Schifahren stand. Ein oder zwei Mal habe ich an den Schimeisterschaften des Schi-Club Wald am Arlberg teilgenommen, sie fanden in Danöfen statt. Die Erwachsenen starteten von irgendwo unterhalb des Purtschakopfs und mussten dafür natürlich zuerst mit Fellen aufsteigen. Wir Kleineren durften am Waldrand oberhalb der Heuhütten starten. Jedenfalls habe ich aus dem gegebenem Anlass dieser Erinnerungen ein Diplom ausgegraben, das meine Teilnahme am Österreichischen Jugendschitag 1955 bezeugt.

Schilifte kamen, vom Arlberg abgesehen, erst gegen Ende der 50iger Jahre auf. Für uns Jugendliche gab es dabei zwei Probleme: Man musste, erstens, zunächst verkehrsmäßig überhaupt dorthin kommen und zweitens Liftkarten käuflich erwerben.

Plötzlich (1956 oder 1957?) gab es in Dalaas den Paluda-Lift, einen Schlepplift. Die Pisten blieben immer unpräpariert, wenn man von einigen Schaufeln Schnee absah, die vielleicht auf eine ausapernde Stelle geworfen wurden.   Ungefähr zur gleichen Zeit, also um 1960, wurde in Stuben vom damaligen Bürgermeister  (Dorfkaiser) von Klösterle und Hotellier in Langen a/A und Stuben, Karl Brändle, die Albona-Bahn gebaut. Auch dort wurden die Pisten in diesen ersten Jahren selbstverständlich nie präpariert – wie auch?-, was natürlich die Herausforderungen nach einem Schneefall zu unserem Vergnügen stark erhöhte. (Die Sonnenkopfbahn wurde erst viel später wohl auf Initiative des ebenfalls durchsetzungsstarken Nachfolgers als Bürgermeisters von Klösterle, Erich Brunner, der zugleich Geschäftsführer der Bahn war, errichtet.)

Urkunde Manfreid Gantner

In Zürs am Arlberg gab es damals den Übungslift zwischen den beiden Hotels durch,  dann den Zürsersee-Schlepplift, der schon gegen Ende der 1930iger Jahre gebaut worden war (angeblich erster Schlepplift Österreichs) und schließlich den Hexenbodenlift, auch ein Schlepplift. An einem Faschingssonntag in dieser Zeit war der Hexenbodenlift erinnerlich fast nur von maskierten Schifahrern, darunter vielen Hexen mit Besen statt Schistöcken, bevölkert, was ein ganz tolles und sehr buntes Bild abgab.

In Lech gab es damals den „Bürgermeisterlift“ unter der Schwarzen Wand hinter der Kirche, dann den Schlegelkopf-Lift, ein Schlepplift, und schließlich noch einen Sessellift auf das Kriegerhorn. – Da ich von der Sekretärin unseres Baugeschäftes, Finy Jochum, als Kind an einigen Wochenenden im Winter in ihr Heimatdorf Lech am Arlberg, mitgenommen wurde und später immer wieder unsere Pensionsgäste dorthin begleiten durfte, lernte ich auch diese Lifte bald kennen und schätzen.

Natürlich machten wir damals auch die ersten Schitouren. Zum Eingehen waren die Maroiköpfe hinter der Bergstation der Albonabahn ein Vergnügen. Herausfordernd war dann aber die Besteigung des Kaltenbergs, vor allem wegen des längeren Gegenhangs auf dem Rückweg. Dafür wurde man mit einer langen Abfahrt  an der Kaltenberghütte vorbei nach Langen a/A entlohnt.

(Später, als Student war ich dann in den Jahren 1965 – 1968  in den Ferien Hilfs-Schilehrer bei der Schischule Lech am Arlberg. Natürlich lernte ich die einschlägigen englischen Vokabeln und bemühte mich um die Schützlinge, aber in der Mittagspause fuhr ich nach Möglichkeit immer einmal den „Weißen Ring“ (Lech -> Rüfikopf -> Zürs –> Madloch –> Lech). Als „Schilehrer“ konnte ich den entsprechenden Eingang benützen und musste nicht anstehen. Außerdem erwarb ich damals die ersten maßgeschneiderten „Schnallenschuhe“ vom Sporthaus Strolz in Lech und einen ebenso sündteuren, roten „McGregory“-Anorak mit fellgefütterten Taschen – klare Fälle jugendlicher Konsumtrottelei, lange vor dem erst viel später einsetzenden Altersgeiz!).

In dieser Zeit, den 50iger Jahren, gab es noch kein Fernsehen, dafür aber das Radio. Natürlich wurde über die Olympischen Spiele 1952 aus Oslo täglich berichtet, und war Trude Jochum-Beiser aus Lech am Alberg gefeierte Siegerin, auf die wir alle sehr stolz waren. Schiheldinnen und –helden unserer Jugend waren dann natürlich auch ab 1956 Toni Sailer (Cortina d’ Ampezzo) und seine Kollegen aus Kitzbühel, Ernst Hinterseer und Anderl Molterer (artistisch im Slalom und strohblond). Auf Karl Schranz konnten wir erst später stolz sein, aus Lech kamen dann aber noch die Asse Gerhard Nenning und der Abfahrtssieger vom Patscherkofel bei der Olympiade 1964, Egon Zimmermann.  Die Rennfahrerin aus Zürs, Marianne Jahn (verheiratete Nutt) machte mir damals auch mächtig Eindruck: Ich hatte sie einmal bei Trainieren im Steinhang des oberen Abschnitts der Albonabahn einen Tag lang beobachten können. Gegen sie waren wir fast Anfänger.

Später, als ich in den Jahren 1956 – 1964 das Jesuitengymnasium „Stella Matutina“ besuchte, hatten wir unsere jährlichen „Stella-Rennen“ am Faschingsdienstag auf der Paluda in Dalaas, was mir einen gewissen Heimvorteil verschaffte. „Stella-Meister“ wurde ich meiner Erinnerung nach aber trotzdem nicht. Ich weiß nur, dass ich jährlich gegen den kleinen, aber sehr drahtigen Karl Gabl aus St. Anton antreten musste. Karl Gabl war später ein bekannter „Wetterfrosch“ im ORF und bei der Zentralanstalt für Meteorologie und baute deren Außenstation am Innsbrucker Flughafen auf. Seinen überaus lesenswerten Memoiren (Karl Gabl, „Ich habe die Wolken von oben und unten gesehen“, Tyrolia Verlag Innsbruck- Wien 2016)  entnehme ich S. 38f., dass er „mehrmaliger Stella-Meister“ wurde. Das freut mich für meinen Freund Karl, mit dem ich in Innsbruck später immer wieder zusammen kam.

Natürlich waren die 50iger und 60iger Jahre der Beginn eines gewaltigen Aufschwungs im Wintertourismus am Arlberg, der auch wirtschaftliche und soziale Rückwirkungen auf das Klostertal hatte, z.B. auf die Handwerksbetriebe und die Berufswahl der Jungen. Stellvertretend soll hier das Verkehrsaufkommen in der jeweiligen Karwoche stehen, da es damals schon zu den ersten Kolonnenbildungen auf der Bundesstraße Richtung Arlberg kam. Wenn dann, etwa am Karfreitag bei typischem „Karfreitagswetter“ , die Flexenstraße unpassierbar, also Lech und Zürs „zu“ waren, dann begann die große Zimmersuche bis „hinunter“ in den Raum von Feldkirch und Dornbirn. Ich persönlich habe den zunehmenden Tourismus in gar nicht so toller Erinnerung, weil immer dann, wenn ich zu Weihnachten, zu Ostern und im Sommer in den Schulferien aus dem Internat nach Hause durfte, in unserem Haus „Femde“ (Gäste) zugegen und die Familienmitglieder vollauf beschäftigt waren. Natürlich waren meine Eltern, meine beiden Schwestern und ich sehr froh über diese Einkommensmöglichkeit und haben fleißig zusammengeholfen. Außerdem waren viele, sehr nette und interessante Stammgäste dabei, auch solche, die mich jeweils zum Schifahren nach Lech und Zürs einluden.

Zusammenfassend waren die 50iger und 60iger Jahre für den Wintersport im Klostertal und am Arlberg sehr prägend: Der Ausbau der Bettenkapazität in Pensionen und Hotels, der Ausbau von Straßen und der Bau von Liften und Seilbahnen, die Zunahme des Verkehrs… Es schien damals keine Grenzen des Wachstums zu geben. Und natürlich musste man damals Schifahren lernen, ja es war geradezu eine unverzichtbare Kulturtechnik, um mit anderen jungen Menschen in der Freizeit im Winter zusammen sein zu können.

Autor: Manfreid Gantner
Museumsverein Klostertal

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